Micha Schneider

“Der Weg ist das Ziel“ – diese Aussage kennen wir wahrscheinlich doch alle. Super, um als Kind zum Wandern motiviert zu werden, zumindest war das bei mir so. Aber laut einigen Menschen, die ich kenne, ist das eine dumme Aussage, weil das Ziel das Ziel ist und fertig. Wenn aber nur der Erfolg, also das Ziel zählt, was ist dann, wenn wir das Ziel nicht erreichen?
Wenn ich das Ganze nun aber auf unser Training beziehe, um nicht zu philosophisch zu werden, was ist denn dann richtig?
Meiner Erfahrung nach schaffen es die Wenigsten einfach zu trainieren, weil sie wissen, dass es wichtig ist. Natürlich ist unser aller übergeordnetes Ziel, fit und gesund zu sein.
Aber fast keinem reicht das als Motivation, um regelmäßig zu trainieren. Und noch weniger machen das über einen langen Zeitraum (und ich spreche jetzt von 40-50 Jahren und nicht 3-4 Jahren).
Ich will euch in diesem Artikel etwas an meinen Erfahrungen und Einstellungen zum Training und der Wichtigkeit von Zielen teilhaben lassen.
Ich trainiere jetzt seit ca.10 Jahren und bin ein Musterbeispiel an beständiger Unbeständigkeit.
Ich stecke mir ständig neue und andere Ziele, will Erfolge sehen, und zwar möglichst schnell. Ich mache mal Dies und mal Das, immer “all in” und nie mit Geduld. Ich trainiere oft so, wie man es nicht machen sollte und bringe meinen Körper an und über seine Grenzen.
Ich bin getrieben von Erfolgserlebnissen und Versagen, beides brauche ich als Motivation. Ohne das hätte ich wahrscheinlich keine 10 Jahre Training, auf die ich zurückschauen kann. Und vor allem, ohne das hätte ich keinen Spaß am Training.
Aber ist das jetzt gut und richtig? Ja und Nein. In einer perfekten Welt würden wir alle erkennen, dass wir trainieren müssen, um gesund zu sein und dann genau so viel machen, dass wir einen guten Reiz setzen und uns nicht verletzen. Unser Ziel wäre es also, fit und gesund zu sein. In der Realität haben wir aber alle unterschiedliche Gründe zu trainieren.
Jeder von uns ist aus irgendeinem Grund zum Crossfit gekommen. Der Eine will gesund sein, der Andere gut aussehen oder hat Schmerzen, wenn er sich nicht bewegt, der nächste will Crossfit als Wettkampfsport betreiben.
Ich würde das als übergeordnetes Ziel beschreiben. Das große Problem mit übergeordneten Zielen ist aber, dass sie unkonkret sind.
Bei mir war es damals ganz simpel. Ich war 90 kg schwer, hatte Rückenschmerzen und wollte dies nicht mehr. Aussehen und Gesundheit also. Auf dem Weg abzunehmen und gesünder zu sein wollte ich dann aber einen Pullup schaffen, dann einen Muscle up, dann 100 kg Clean and Jerk und so ging es immer weiter.
Das übergeordnete Ziel war immer da, aber durch meine vielen kleinen Ziele hat es viel mehr Spaß gemacht, dran zu bleiben. Meine Rückenschmerzen kamen und gingen, sind heute aber komplett weg. Mein Ziel abzunehmen wurde dann zum Ziel, danach einen Sixpack zu haben (den hatte ich genau einen Urlaub lang). Und heute bin ich schwerer als vor 10 Jahren. Manche meiner Ziele habe ich also erreicht, manche nicht. Viele Ziele, die ich erreicht habe, waren aber in dem Moment, in dem ich sie erreicht habe, irrelevant. Andere sind durch meine Erfahrungen irrelevant geworden. Das hört sich zwar irgendwie traurig und falsch an, weil ich teilweise Jahre darauf hingearbeitet habe, ich glaube aber genau das ist der Punkt. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, was ich erreicht habe, ist mir der Weg dahin immer vor Augen, alles was ich gelernt und erlebt habe auf dem Weg zum Ziel. Heute freue ich mich, wenn ich mir ein neues Ziel stecke, auf den Weg, der vor mir liegt. Fast mehr als auf das Erreichen des Zieles.
Was ich euch damit sagen will ist, dass ich davon überzeugt bin, dass wir konkrete, kurzfristige Ziele brauchen, damit wir Erfolge oder Misserfolge haben. Das kleine konkrete Ziel hilft uns, unser großes unkonkretes Ziel “gesund und fit zu sein” zu erreichen. Der Weg zu unseren Zielen lehrt uns immer etwas, so können wir uns besser kennenlernen und herausfinden, was wir brauchen und was uns antreibt. Das heißt aber auch, dass es kein Weltuntergang ist, ein Ziel nicht zu erreichen, sondern uns genauso motivieren sollte. Was du dieses Jahr nicht schaffst, ist vielleicht nächstes Jahr wieder dran. Oder du lernst, was du nicht mehr machen willst.
Ich bin daher überzeugt, dass wir auf unserem Weg kleine konkrete Ziele brauchen, die alle in das übergeordnete Ziel einzahlen. Dann können wir es schaffen, langfristig fitter und gesünder zu werden. So kann der Weg zum Ziel werden.